Zielsetzungen des Faches

"Ein Volk, das sich seiner Geschichte nicht erinnert, ist dazu verurteilt, diese erneut durchleben zu müssen."
(George Santayana, 1863-1952)

Dieser Ansatz des spanisch-amerikanischen Denkers wird immer dann als Argument ins Feld geführt, wenn man damit die Notwendigkeit historischen Denkens begründen will.

Die Redaktion von "Meyers Konversations-Lexikon" kam 1874 zur 3. Auflage des Nachschlagewerks zum Schluss:

"Die Bedeutung der Geschichte für das praktische Leben steht unwandelbar fest. Denn wer die Gegenwart richtig auffassen und beurteilen will, muss notwendig in die Vergangenheit zurückgreifen, die ihm die Kunde davon gibt, auf welche Weise die Dinge die Gestalt erhalten haben, in der die Gegenwart sie vor uns erscheinen lässt, welchen Wurzeln und Keimen sie entsprossen, wie sie gewachsen sind und welchen Gang ihr Wachstum genommen hat." In der Folge wird betont, dass die Selbsterkenntnis, die sich aus dem historischen Spiegel ergibt, "die erste Bedingung gedeihlicher Tätigkeit" ist.

Lässt sich eine solche Notwendigkeit aber auch noch heute begründen, in einer sich rasch wandelnden Zeit mit immer neuen Anforderungen an den Menschen?

Worin liegen heute die Gründe, dass man sich im 21. Jahrhundert mit dem überall verfügbaren Wissen und der Informationsvielfalt weiterhin mit Geschichte auseinandersetzt?

Was sind die Motive für die Berücksichtigung dieses Faches in der Schule, wo doch mit Informatik, Natur und Technik neue Fächer Einzug in den Unterrichtsalltag gehalten haben, die auf die neuen Anforderungen modernen Lebens antworten und darauf vorbereiten sollen?

Gerade vor dem Hintergrund des ebern erst erfolgten Umzugs in das neue Schulhaus des AKG muss auch überprüft werden, welche Dinge und Inhalte mit in das neue Gebäude genommen werden sollen bzw. müssen. Eine Art Bestandsaufnahme soll gemacht werden, um überkommene Inhalte zu entrümpeln und zeitgerecht und wirkungsvoll am neuen Wirkungsort arbeiten zu können.

Was sind überhaupt die Ziele des Geschichtsunterrichts innerhalb des schulischen Fächerkanons?

  • Fächerübergreifend ist eines der Hauptanliegen schulischen Arbeitens die Erziehung zum mündigen Bürger, der innerhalb der Gesellschaft seinen bürgerlichen Rechten und Pflichten nachkommt und ein kritisch-konstruktives Mitglied wird. Eine Demokratie ist nur so gut wie ihre Menschen! Um hier das Optimum zu erreichen, sind Kompetenzen wie kritisches Denken, vorbehaltloses Hinterfragen, Überprüfen usw. unabdingbare Voraussetzungen, die wir unseren Schülerinnen und Schülern in den unterschiedlichen Fächern beibringen. Aber dies sind gerade auch historische Ansätze und Arbeitstechniken, die den Schülern schon sehr frühzeitig gelehrt werden. Unmittelbares Ziel hierbei ist die Fähigkeit, Sachverhalte zu bewerten. Ist dies schon schwer genug, so vermitteln wir darüber hinaus den Schülern auch die Kompetenz, sich Sachverhalte in ihren Zusammenhängen selbstständig zu erarbeiten.
  • Dazu gehört natürlich auch die Fähigkeit, treffende Vergleiche zu ziehen. Lang ist die Liste unpassender Vergleiche, die entweder falsch und haltlos waren bzw. sind oder aber beim Hörer unangenehme Assoziationen hervorgerufen haben, die der – vielleicht gut gemeinten – Absicht eher geschadet als geholfen haben. So ist eben nicht alles mit dem Hinweis auf einen "Autobahnbau" zu rechtfertigen. Andererseits sind aber Vergleiche auch ein probates Mittel, um die Dimensionen politischen Handelns für den Mitbürger deutlich machen zu können. Natürlich kann dies für Agitation missbraucht werden. Deswegen ist eine ethische und moralische Grundhaltung mit zu diskutieren.
  • Zur bewussten Wahlentscheidung gehört die Auseinandersetzung mit den politischen Zielsetzungen und Absichtserklärungen der angetretenen PolitikerInnen und Parteien; diese kann aber nur dann vom Grundansatz her richtig "…zu Ende gedacht worden sein, wenn ihre schlimmst mögliche Wendung ..." bedacht worden ist, wie es Dürrenmatt in den 21 Punkten zu seinem Werk "Die Physiker" zeigt. Antizipation möglicher Entwicklungen entspricht dem Sinn des historischen Denkens schlechthin. Dabei wird Geschichte als ein Kontinuum begriffen, das für die Schüler immer wieder Schwierigkeiten aufwirft, aber notwendigerweise vermittelt werden muss.
  • Die Erziehung zum mündigen Staatsbürger hört aber nicht an der nationalen Grenze auf. Gerade im Verhältnis zu unseren europäischen Nachbarn müssen noch sehr viele Aspekte berücksichtigt werden, die sich aus unserer unmittelbaren Vergangenheit ergeben. Dabei geht es nicht um ein unterwürfiges Handeln, sondern um ein aufrechtes, um die historischen Zusammenhänge und Problemsituationen bewusstes Bemühen und Vorgehen; dies greift auch im täglichen Umgang mit den Ängsten und Gefühlen der Menschen, denen man sich stellen muss, um gemeinsam Wege der Lösung zu finden. Alleine schon die Auseinandersetzung mit den Ansichten und Gefühlen anderer Menschen öffnet unsere Vorstellungen und ist gewinnbringend.
  • Daraus kann gleichzeitig ein Selbstverständnis entstehen, das uns geistige Standfestigkeit gibt. Gerade das Wissen um die unterschiedlichen Systeme und Verhältnisse in verschiedenen Ländern ermöglicht uns das Bewerten der Gegenwart und öffnet eine verständnisvollere Zukunft; dies ist die notwendige Voraussetzung, um unsere Gesellschaft von innen her zu festigen und ein positives Verständnis von Nation und Heimat zu finden und zu definieren, was Grundlage friedlichen Zusammenlebens innerhalb Europas und der Welt ist. Dabei endet die Verantwortung nicht an deutschen Grenzen. Jedoch:
    Wie kann man anderes und andere bewerten, wenn man seine eigene Herkunft nicht kennt?
    Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Mobilität in der modernen Welt kann der Begriff von Heimat und Herkunft eine stabile Basis notwendiger Anpassungs- und Durchsetzungsprozesse aus dem bewussten Selbstwertdenken sein.

Welche Mittel haben und benötigen wir, um diese hohen Ansprüche auch nur ansatzweise umsetzen zu können?

  • Grundlage, Ausgangspunkt und Standbein muss und wird der tägliche Unterricht des informierten und engagierten Pädagogen sein. Arbeitstechniken, Fragestellungen und Herangehensweisen an historische Zusammenhänge sind das notwendige Handwerkszeug, das den Schülerinnen und Schülern vermittelt wird, und das es diesen einmal erlauben soll, die Inhalte zu verarbeiten und die Basis für lebenslanges Lernen zu schaffen. Dazu gehört aber auch ein historisches Raster, ein Grundwissen, das auf der Basis wichtiger Daten vor allem historische Zusammenhänge aufzeigt und wie ein Geflecht, das durch weitere Erfahrungen und Lernprozesse verfeinert wird, immer enger geknüpft werden muss. Die Schule macht hier mit der Familie und deren erinnerbaren Herkunft den Anfang. Dass hierfür moderne Unterrichtsmaterialien, Beamer, PC, Filme, Unterrichtsgänge usw. notwendig sind, sei hier lediglich angemerkt.
    Dies ist hier deshalb noch einmal zu erwähnen, weil der Unterrichtsalltag in der Wahrnehmung "besonderer Ereignisse" im Schuljahr doch allzu leicht vergessen wird. All die zusätzlichen Veranstaltungen und Möglichkeiten sind als notwendige Ergänzung zu sehen, deren Wert für die Erfahrung unserer Kinder zwar sehr groß ist, aber dennoch in der Schule immer nur "Hilfscharakter" haben können.
  • Ausstellungen mit Einführungen wie "Anne Frank" (Februar 2008), "Staatssicherheit und Schule in der ehemaligen DDR" (Juni 2008) oder Vorträge und Diskussionen wie "Europäische Sicherheitspolitik" des parlamentarischen Staatssekretärs MdB Christian Schmidt (Januar 2008) geben uns dabei die Möglichkeit, das Blickfeld der Schüler entscheidend zu weiten, die Relevanz täglichen Lernens in der gelebten Realität vor Augen zu führen und vertieft Erfahrungen zu vermitteln. Der direkte Kontakt bildet somit Verständnis.

Gerade das kritische Hinterfragen, das unbequeme Überprüfen als Grundtechnik historischen Arbeitens sind unabdingbare Voraussetzungen, sich und somit die Gesellschaft dauernd zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Der Stillstand anderer - religiöser wie politischer - Systeme ist allzu häufig Folge von (unausgesprochenen) Denkverboten.

Somit ist es weniger die Frage, ob wir Geschichte unterrichten, sondern sehr viel mehr die Feststellung, dass wir uns an unseren Kindern versündigen würden, wenn wir ihnen diesen wichtigen Grundstein demokratischen und somit mündigen Denkens vorenthalten würden. Dann würde die Gefahr der sich wiederholenden Geschichte angesichts politisch radikaler Umtriebe wie religiös fanatischen Handelns uns bedrohen; dieses zu erkennen und damit die Schritte zu ergreifen, um dem entgegen zu treten, muss in der Schule die Grundlage geschaffen werden.

Wie uns jetzt mit dem neuen Haus eine neue Heimstatt gegeben wird, muss moderne, zeitgerechte Bildung unsere Basis, unser Überbau für das Leben sein.

Dieser Verantwortung und diesem Auftrag müssen wir uns alle stellen!

Grosch Dieter
(Fachleitung Geschichte)

Lehrplaninhalte

Klasse 6 - Von den ersten Menschen bis zum Reich der Franken

Ausgehend von der Beschäftigung der Schüler mit Geschichte im außerschulischen Bereich und ihrer alterstypischen Neugier auf Unbekanntes und Fremdes wird ihnen ein anschaulicher und systematischer Zugang zur Vergangenheit vermittelt. Sie werden an Bedingungen geschichtlichen Wissens sowie an die Vorgehensweise des Faches Geschichte und an seine Kategorien herangeführt. Sie erkennen auch, welche Bedeutung die Beschäftigung mit der Geschichte für den Menschen besitzt.

Die Schüler beobachten die Entwicklung früher Kulturen in der Auseinandersetzung mit ihrer natürlichen Umwelt. Bei der Beschäftigung mit Griechenland und dem Römischen Reich begegnen sie Fragestellungen und Phänomenen, die auch in späteren Epochen immer wieder von Bedeutung sind. Den Übergang von der Antike zum Mittelalter erkennen sie als eigenständigen Zeitraum, der von Kontinuität und Wandel geprägt ist.

Klasse 7 - Vom Mittelalter bis zum Absolutismus

Die Jugendlichen lernen Grundzüge der alteuropäischen Gesellschaft im Mittelalter und in der frühen Neuzeit kennen und erfahren von Begegnungen der Europäer mit fremden Zivilisationen. Die Europäisierung der Erde wird ihnen als eine Vorstufe der modernen Globalisierung vermittelt. Renaissance, Humanismus, Reformation und Konfessionskriege begreifen sie als eine Phase, in der im Innern das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft thematisiert, nach außen die europäische Staatenwelt neu geordnet wird. Am Beispiel des Absolutismus und der konstitutionellen Monarchie lernen sie wichtige Veränderungen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft während der frühen Neuzeit kennen.

Klasse 8 - Vom Zeitalter der Aufklärung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs

Die Jugendlichen setzen sich mit dem Übergang von der alteuropäischen zur industriellen Gesellschaft auseinander. Sie lernen Ansätze zur Ausbildung demokratischer Strukturen sowie Hemmnisse und Rückschläge auf diesem Weg kennen. Dies erlaubt ihnen, die historischen Grundlagen freiheitlich-demokratischer Wertvorstellungen in ihrem Gegensatz zu Obrigkeitsdenken, und Nationalismus zu erfassen.

Klasse 9 - Widerstreit der Ideologien und Systeme im 20. Jahrhundert

Ausgehend von der Beschäftigung mit der Weimarer Demokratie und der existenziellen Gefährdung demokratischer Ordnungen in Europa durch das nationalsozialistische Gewaltregime sehen die Jugendlichen, wie sich als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs die Teilung der Welt zwischen den neuen Supermächten USA und UdSSR vollzieht und im beginnenden Kalten Krieg Konfrontation, aber auch globale Stabilität als "Gleichgewicht des Schreckens" herrschen. Vor diesem Hintergrund betrachten sie die historische Entwicklung nach 1945.

Klasse 10 - Die Auflösung der bipolaren Welt

Die Schüler erkennen, dass seit den 1960er Jahren Entwicklungen in Gang kommen, die eine neue Dynamik in die internationale Politik bringen und Auswirkungen sowohl auf die bis dahin bipolare weltpolitische Konstellation der Nachkriegszeit als auch auf die Situation in der Deutschen Frage nach sich ziehen. Die Auflösung der Blöcke 1989/90 erfassen sie als einen epochalen Vorgang für das 20. Jahrhundert. Die Schüler begreifen, wie das Ende des Ost-West-Konflikts auch die Lösung der Deutschen Frage ermöglicht und für die ehemaligen Staaten des Ostblocks die Möglichkeit eröffnet, am europäischen Integrationsprozess teilzuhaben. Zugleich erkennen sie aber auch, wie die Auflösung der bipolaren Welt zu einer Instabilität neuer Art führt.

Im Rahmen eines fachübergreifenden Projekts mit Sozialkunde verstehen die Schüler beispielhaft Zusammenhänge zwischen gegenwärtigen Herausforderungen und historisch gewachsenen Bedingungen.

Klasse 11/12

Der Geschichtsunterricht in den Jahrgangsstufen 11 und 12 löst sich vom genetisch-chronologischen Strukturierungskonzept der vorangegangenen Jahrgangsstufen und beinhaltet im Sinn eines wissenschaftspropädeutischen Zugriffs sowie einer vertieften historischen Bildung ein mehrperspektivisches, methodenorientiertes Arbeiten der Schüler an exemplarischen Themenbereichen, wie es für die Oberstufe des Gymnasiums kennzeichnend ist.

Die Ordnung der Lehrplanthemen orientiert sich an räumlichen Kategorien und geht vom "Nahen" zum "Fernen": Zunächst stehen Land und Region im Mittelpunkt des Unterrichts (11.1), danach Deutschland (11.2), Europa (12.1) und zuletzt außereuropäische und internationale Vorgänge (12.2). Jedem dieser vier Räume begegnen die Schüler in Verbindung mit Teilbereichen historischer Forschung.

  • 11/1: Leben in der Ständegesellschaft des 15. bis 18. Jahrhunderts bis zur entstehenden Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts
  • 11/2: Demokratie und Diktatur - Probleme der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert:
    Weimarer Republik, Nationalsozialismus, frühe Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik
  • 12/1: Historische Komponenten europäischer Kultur und Gesellschaft:
    Die Schüler erfahren, dass ihre Lebenswelt nicht nur durch die jüngere Geschichte, sondern grundlegend und langfristig wirksam auch von Entwicklungen der Antike, des Mittelalters, der Frühen Neuzeit und des 19. Jahrhunderts geprägt ist.
  • 12/2 Konfliktregionen und Akteure internationaler Politik in historischer Perspektive:
    Zwischenstaatliche Beziehungen waren seit der Antike von militärischen Auseinandersetzungen einerseits und dem diplomatischen Bemühen um Beilegung von Konflikten andererseits gekennzeichnet. Die Schüler sollen sich, je nachdem, ob man einzelne Phänomene der internationalen Politik mit Blick auf die betroffene Konfliktregion oder aus der Sicht der handelnden Parteien betrachtet, unterschiedliche Perspektiven an repräsentativen Beispielen kennen lernen.
    Beispiele:
    • Der Nahe Osten - Historische Wurzeln eines weltpolitischen Konflikts
    • Die USA – von den rebellischen Kolonien zur globalen Supermacht