FotoDirk Reinhardt und seine „Edel­weiß­pi­ra­ten“

„Es sind ethische Fragen, die mir beim Schreiben meiner Bücher wichtig sind“, sagt Dirk Reinhardt, der mit vielen Preisen ausgezeichnete Jugendbuchautor, der mit seinen Werken, den Nerv der Zeit trifft: Ob Flucht und Vertreibung, die Welt der Hacker, Widerstand im Dritten Reich – was seine vielen Romane eint, ist neben der Brisanz die Tatsache, dass allen eine beeindruckende Recherche vorausging. „Alles, was meinen Figuren passiert, hätte genau so geschehen können.“ Auch das erzählte der Schriftsteller, der übrigens promovierter Historiker ist, bei seinem Besuch am Annette-Kolb-Gymnasium am 2. Juni 2022 im Anschluss an seine Lesung aus „Die Edelweißpiraten“.

Dieser lauschten die Schüler:innen der 9. Jahrgangsstufe interessiert und so erfuhren sie, dass die gleichnamige Gruppe aus mehreren tausend junger Leute bestand, überwiegend aus der Arbeiterschaft, die in ihrem Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung sowie durch die Weigerung, der Hitlerjugend beizutreten, in heftige Konflikte mit der nationalsozialistischen Obrigkeit kamen. Aktionen wie das Verteilen von Flugblättern, das Schreiben von Parolen gegen den Krieg an Hauswände oder Anschläge auf Nachschubzüge der Wehrmacht, bezahlten viele mit Folter und einige mit öffentlicher Hinrichtung – und dabei waren viele von ihnen erst 16 oder 17 Jahre alt.

Wie erschreckend aktuell das Ganze durch militärische Konflikte und Länder, in denen die Pressefreiheit fehlt und man aufgrund von Protestesten im Gefängnis landet, ist, hätte vor einigen Jahren niemand geglaubt. Umso wichtiger ist es, sich mit den drängenden Fragen in diesem Zusammenhang aus­ein­an­der­zusetzen: Wie entsteht eine solche Jugendbewegung, die den Kampf gegen eine Diktatur wagt? Bis zu welchen Punkt ist ein solcher ethisch vertretbar? Kurz: Kann Gewalt nur durch Gewalt besiegt werden oder heiligt der Zweck die Mittel? Fragen, auf die es sicher keine einfachen Antworten gibt, aber Dirk Reinhardt geht es vielmehr darum, zum Nachdenken, Diskutieren und Hinterfragen anzuregen. Das hat er einmal mehr geschafft – und dafür danken wir ihm.

Sabine Prock